30 Jahre Augustin“…

„Mehr als einen Zeitung. Das ist der Titel einer Ausstellung im Wien Museum, die sich derzeit mit der Geschichte der Straßenzeitung, die von Menschen mit Armutserfahrung (Obdachlosen, Asylwerbern oder vom Arbeitsmarkt Ausgeschlossenen) auf den Straßen Wiens und im Wiener Umland verkauft wird und inzwischen aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken ist. Die eine Hälfte des Verkaufspreises von derzeit (noch) 3 Euro behalten die Verkäufer. Die andere Hälfte finanziert die Sozialarbeit, die Redaktion und sämtliche Projekte des gemeinnützigen und basis-demokratisch geführten Vereins. Der Augustin erhält keinerlei Subventionen und auch keine Presseförderung.
Ich hatte das Glück, an einer Führung teilzunehmen, die von einer der langjährigen Kolporteurinnen und einer seit 26 Jahren im Verein tätigen Mitarbeiterin gestaltet wurde. Sie hat auch die Ausstellung kuratiert. Damit gab es nicht nur detaillierte Erklärungen zu den einzelnen Schaubildern und Videos, sondern auch einen ungeschminkten Einblick in die tägliche Arbeit in der Redaktion, Sozialarbeit und auf der Straße. Momentan sind etwa 500 Kolporteure tätig (übrigens jeder/jede mit einem „Augustin“-Ausweis), die die derzeit etwa 16.000 Exemplare pro Auflage (erscheint 14-tägig) vertreiben, wobei sich das Bild im Laufe der Jahre ziemlich gewandelt hat - von ursprünglich hpts. Wiener Obdachlosen hin zu einem inzwischen namhaften Anteil von Flüchtlingen meist aus dem afrikanischen Kontinent. Womit auch der Schwerpunkt der Unterstützung immer mehr in Richtung Sozialarbeit geht. 

Eine der beiden Grundideen der Zeitung ist es ja, derartige Menschen ohne jeglichen Anspruch auf soziale Unterstützung von der Bettelei weg in Richtung des selbständigen Geldverdienens zu bringen. Das zweite Ziel ist die völlige Unabhängigkeit des Mediums, das damit „laut Kritik an den Mächtigen“ üben kann und es auch tut! Neben diesem redaktionellen, kritischen Teil gibt es in den Ausgaben u.a. auch die „Schreibwerkstatt“, wo betroffene Obdachlose selbst Prosa und Lyrik veröffentlichen (praktisch ohne inhaltliche Redigierung). Und dann betreibt der Verein etliche Projekte, etwa einen Chor, eine Fußballsektion etc., eine Zeitlang gab es einen eigenen Radiosender (der aus Kostengründen inzwischen eingestellt werden musste).
Ich könnte diesen Essay nun ziemlich ausdehnen und viele interessante Dinge über den Augustin, seine 30-jährige Entwicklung, die Möglichkeit Abos zu beziehen, oder seine Stellung innerhalb des Genres „Boulevardzeitung“ im internationalen Kontext berichten – wenn Sie das interessiert, besuchen Sie doch einfach das Wien-Museum (noch bis 23.11)!

Essay by Walter Ritter 

 

Kontakt

https://augustin.or.at/
Mehr als eine Zeitung: 30 Jahre Augustin - WIEN MUSEUM

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