Das Privatmuseum Liaunig im kleinen Ort Neuhaus in Unterkärnten nahe...
Das Privatmuseum Liaunig im kleinen Ort Neuhaus in Unterkärnten nahe der slowenischen Grenze ist von der Bundesstraße aus fast zu übersehen. Der Haupteingang ist nicht wirklich spektakulär und könnte durchaus der Eingang zu einem x-beliebigen Gewerbeobjekt sein. Tatsächlich verbergen sich im aufstrebenden Hügel 7.500 m² (!) Ausstellungsfläche (zum Vergleich: die Wiener Albertina verfügt über eine Ausstellungsfläche von etwa 5.000 m²). Die Beton-Stahlkonstruktion wurde vom Wiener Architektenteam querkraft konzipiert, nach überraschend kurzer Bauzeit 2008 eröffnet und ist das jüngste Bauwerk Österreichs, das (seit 2012) unter Denkmalschutz steht. Erst ein Stück der Straße weiter folgend sieht man plötzlich einen mächtigen Quader etwa 30 m freitragend aus dem Hügel ragen – das Ende des 160 m langen Hauptraumes des Museums. Die dortige Sammlung der österr. Gegenwartskunst umfasst inzwischen weit mehr als 3.000 Arbeiten, die in modernen Depots untergebracht sind.
Die heurige Hauptausstellung Terra Incognita mit dem Untertitel Kunstexpedition in ein unbekanntes Nachbarland befasst sich mit der hierzulande nahezu unbekannten Kunst der Tschechoslowakei zwischen 1948 und 1989, also der kommunistischen Ära dieses Staates bis zu seinem Ende in der „Samtenen Revolution“ – und das im Dialog mit österreichischen Werken aus der Sammlung Liaunig. Unbedingt zu empfehlen ist der Besuch anlässlich der angebotenen Gratisführungen (an den geöffneten Tagen Mi bis So jeweils um 11:00 Uhr). Ich hatte das Glück, eine überaus engagierte, seit der Eröffnung des Museums dort tätige Dame als Führerin zu haben, die sich nicht nur als kompetent für die Ausstellung selbst erwies, sondern jegliche Frage aus unserer kleinen Gruppe sofort beantworten konnte und darüber hinaus viele Aspekte zum Haus, Details und Hintergrund zur Familiengeschichte des urspr. Sammlers, des Kärntner Industriellen Herbert Liaunig (verstorben 2023) zu erzählen wusste. Freilich haben wir den vorgesehenen Zeitrahmen (1 ½ Stunden) dabei weit überzogen, aber das war es allemal wert.
Verblüffend für mich waren die zum Teil unübersehbaren Parallelen der österreichischen und tschechoslowakischen Kunst, wiewohl es aufgrund des damaligen Eisernen Vorhangs keinerlei Möglichkeit zu einem Austausch gegeben hat und es prinzipiell zur typischen Entfremdung Westkunst-Ostkunst gekommen ist. Einige der tschechoslowakischen Arbeiten waren freilich niemals im Land selbst ausgestellt, weil die Künstler damals dem Duktus der kommunistischen, von Russland diktierten Kunst folgen mussten, wollten sie in die Öffentlichkeit gehen. Ich trau mich fast zu sagen, dass da jetzt zu einem (kleinen) Teil Untergrundkunstkunst präsentiert wurde, die die Themen wie unterdrückte Meinungsfreiheit, Säkularisierung oder Sexualität verarbeitet haben. Die Kategorien Figur, Abstraktion, Geometrie, Pluralität gab es hier wie dort, die Ausstellung nimmt darauf Rücksicht und schafft es, in der direkten Gegenüberstellung unglaubliche Spannung zu erzeugen.
Zu erwähnen ist natürlich der Skulpturenpark, der sich am hinteren Teil des Museumshügels befindet und zum Begehen und Verweilen einlädt. Für die historischen Sammlungen von afrikanischer Glasperlenkunst, Portraitminiaturen und kostbarer Gläser (Renaissance bis Biedermeier) blieb mir keine Zeit mehr. Aber das Liaunig-Museum ist ein Ort, der einlädt, ihn immer wieder zu besuchen (Achtung! Nur jeweils Ostern bis Ende Oktober geöffnet!).
Essay by Walter Ritter
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